LVM II/8 Perditio Animarum - Salvatio Animarum
Das achte Bild ähnelte einem Turm
mit einem Dach auf seiner Spitze.
Darin waren drei Fenster.
Darunter erschienen zwei Menschenarme.
Deren Hände streckten sich über das Dach.
Schatten bedeckten die Arme wie Ärmel.
Ihre Hände waren nackt, doch feurig.
Es sprach:
PERDITIO ANIMARUM - Seelenverderben
Was ist verdient, was ist mein Lohn?
- Feuer.
Nichts anderes wollen ich und der Stoff,
aus dem ich hervorging.
Fliehe alles Leuchten.
Verwehre, allem leuchtenden Werk zu folgen.
Will nicht der Strahlenden vollkommenen Schmuck.
Raube denn Seelen. Das ist mein Werk.
So will der es, aus dem ich entstand.
Ich bin der Fluch, den er getan.
Wieder hörte ich aus besagter Wolke
eine Stimme diesem Bilde antworten.
SALVATIO ANIMARUM - Seelenrettung
Bist Verwirrers Pfeil.
Fliegst durch den Hinterhalt bei Nacht.
Verletztst Selige unter Folter,
wollen sie, was du nicht willst,
wirken sie, wovor du zurückschreckst.
Willst sie dort verderben. Aber vermagst es nicht.
Denn unter Glaubensbanner
erheben Selige sich mit Engelsscharen,
laufen mit Macht gegen dich an.
Dürsten so, dich zu besiegen,
wie den Hirschen dürstet,
Quellwasser zu trinken.
Denn in Taufe und Heiligen Geistes Sieben Gaben,
erschienen in des Erlösers Menschlichkeit,
ziehen sie dich wie eine Wasserflut hinab.
Gegen Gott zu sein - dein Untergang.
Bin aber Bau alles Guten.
Festung Jerusalem in Heiliger Werke.
Fange Reumütige auf durch Abrahams Widder.
In Dornen verfangen, deutete er auf Christus.
Halte Einfache im Taufvertrauen sicher,
Unschuldige durch Salbung mit Heiligem Geist.
Denn strahlende Lauterkeit,
wie eine Lilie in Christi Leib erblüht,
brachte mich zurück auf den Weg des Heils.
Bin so Gottes Gefolgsmann.
Hildegard von Bingen - LVM II