Bildung & Brauchtum
"Tradition ist nicht die Anbetung der Asche,
sondern die Weitergabe des Feuers."
Thomas Morus - Jean Jaures - Gustav Mahler
Wir arbeiten
in Kultur, Bildung und Brauchtum,
im Blick auf Natur-, Kultur- und Geistesgeschichte.
Wir forschen und entwickeln
in Projekt, Produktion und Publikation,
in Programm und Werkstatt,
in Material, Modul und Ausstellung.
Wir finden Formen und Wege, Verfahren und Vorgehensweisen.
Wir arbeiten zu Leben und Werk der Hildegard von Bingen,
zur Fülle und Tiefe ihrer Weltsicht und Werke,
und zu verwandten antiken wie globalen Traditionen.
Wir arbeiten interkulturell
mit ganzheitlichem Blick auf globale historische Bezüge,
auf Kulturen, Traditionen, Deutungen und Überlieferungen.
SCHOLA provides studies and research,
projects and productions, programs and workshops,
books and publications.
Das sechste Bild hatte tatsächlich Büffelform. Es sprach:
OBSTINATIO - Aufsässigkeit
Weder Übermaß noch Überfluss
verschiedener Sachen und Dinge trage ich in mir.
Aber sage ich das, bin ich nicht fähig,
es gelassen, sanft vorzutragen.
Wäre Erde stets weich von Feuchtigkeit und Regen,
hätte keine Härte, wäre sie nutzlos.
Denn keineswegs kann sie so Frucht tragen.
Oder wäre sie zart, flössen Wasser über sie,
zerstörten sie ganz.
Verletzt anhaltender, unbeständiger Regen Erde sehr,
wie schadet mir,
in jedem beliebigen Anliegen nicht weich zu sein?
Kann ich nicht seufzen, ist es so.
Weine ich nicht, macht mir das keine Sorge.
Viele durchwandern Traurigkeit.
Viele werden tränen-schwach.
Wie sehr Gott aller Gnade vorstehen will,
so sehr stehe er ihr vor.
Was soll ich so anhaltend dafür arbeiten?
Was soll ich für etwas arbeiten,
das ich nicht vollenden kann?
Sucht jemand, was er nicht finden kann,
nützt es ihm nichts.
Wieder hörte ich, wie aus der Sturmwolke
eine Stimme diesem Bilde Antwort gab:
COMPUNCTIO CORDIS – Herzens Erschütterung
Bitternis, wer bist du, dass du sagst,
du kannst dich nicht in deinem Leben mühen,
wenn alle Vögel, Fische, Haustiere und Wild,
Würmer und Eidechsen sich Mühe geben,
um zu leben?
Küken bitten von ihren Müttern Speise.
All ihre Grünkraft fordert Erde von der Luft.
Warum nennt man Gott "Vater",
wenn nicht darum, dass Ihn seine Kinder rufen?
Er ihnen in seiner Gnade Gutes angedeihen lässt?
Sie erkennen, dass er Gott?
Warum wehrst du dich gegen Gott?
Tau seines Segens trinke ich,
sage ihm mit froher, tränengetränkter Stimme:
Gott, hilf mir.
Und Engel antworten mir mit Orgelklang.
Loben Gott, weil ich ihn rufe.
Dann leuchtet mir auch seiner Gnade Morgenrot, des Lebens Speise gibt er mir.
Nicht schwach zu sein, habe ich von ihm erbeten.
Weil du von selbst aber nichts suchst,
wird dir nichts gegeben.
Hildegard von Bingen - LVM IV
Aber das fünfte Bild sah ich in Menschengestalt.
Bleiche Haare hatte es,
stand in der Finsternis nackt wie in einer Tonne da.
Es sprach:
CURAE TERRENORUM - Alltagssorgen
Besser ist Arbeit an Mühen dieser Zeit,
wo Wiesen, Obstbäume, Trauben sind,
alles Notwendige zum Leben wächst,
was Menschen Nahrung bietet und Unterhalt.
Vergössen meine Augen Tränen,
schlüge ich mir mit Seufzern auf die Brust,
oder beugte meine Knie,
hätte ich weder Nahrung noch Kleidung,
sondern litte Mangel.
Riefe ich zum Himmel,
bäte Sonne, Mond und Sterne um meinen Lebensunterhalt,
brächte mir das nichts ein.
Drum ziehe ich alles an mich,
was ich bedenken, reden, wirken kann,
solange ich vermag, auf Erden zu leben.
Wieder hörte ich,
wie eine Stimme aus der Sturmwolke
diesem Bilde Antwort gab:
CELESTIS DESiDERIIS - Mit Himmelssehnsucht
Mit Sehnsucht nach dem Zeitlosen:
Seelenräuber, was sagst du?
Trügerisch dein Geist,
vertraust nicht Gott,
der alles Notwendige bereitet.
Wie Leib nicht ohne Seele leben kann,
wächst ohne Gottes Gnade nicht eine Erdenfrucht.
Denk an Gebeine von Verstorbenen
in ihren Gräbern.
Bedenke, was sie tun.
Nichts wirken sie, liegen vielmehr im Verfall.
So wirkst auch du nichts,
sondern lebst nachlässig.
Willst ohne Gottes Gnade leben,
hast keine Sehnsucht,
suchst in all deiner Anstrengung nicht Gott.
Wohne aber in den Höhen,
finde mit Gottes Gnade alles in der Schöpfung.
Bin Leben, Grünkraft in allen guten Werken,
Zier aller Kräfte.
Bin auch Freude, Verstehen von Gottes Liebe,
Bau all seiner Sehnsucht.
Denn, was immer Gott will, das bewirke ich.
Fliege mit Flügeln guten Willens
hoch über den Sternenhimmel.
Vollbringe so in all seinem Ratsschluss
Gottes Willen.
Steige so auch über Bethels Berge.
Betrachte dort Gottes Werk
von Angesicht zu Angesicht.
Bedarf so, noch wünsche, noch will etwas
außer dem, was heilig.
Bin so Psalter und Laute seiner Freundlichkeit.
Und auf diese Weise in allen Dingen himmlisch.
Hildegard von Bingen - LVM IV